Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V.

Entdecken Wasservogelsensationen im VSG „Lahnaue zwischen Atzbach und Gießen“

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Wasservogelsensationen im VSG „Lahnaue zwischen Atzbach und Gießen“

Gleich sechs seltene Vogelarten sind in den letzten sechs Wochen im Vogelschutzgebiet nachgewiesen worden

Im Vogelschutzgebiet „Lahnaue zwischen Atzbach und Gießen“ sind seit Ende November zahlreiche Wasservogelarten erschienen, die hier noch nie oder seit vielen Jahrzehnten nicht mehr gesehen wurden. Den Auftakt machte eine bekannte männliche Moorente, die seit nunmehr sechs Wintern (erstmals im Januar 2019 entdeckt) regelmäßig an der Grube Fernie in Linden sowie im Wechsel in der Lahnaue erscheint.

Am 23. November wurde dann von Matthias Korn eine männliche Ringschnabelente am Dutenhofener See entdeckt. Dies ist erst der 2. Nachweis in Hessen. Wahrscheinlich steht das Auftreten in Zusammenhang mit einem Einflug nordamerikanischer Gäste (wo die Art normalerweise vorkommt), wie z.B. zahlreicher Eistaucher, die in den letzten Wochen in Westdeutschland auftraten.

Kurz vor dem Arbeitseinsatz der HGON in der Lahnaue konnte M. Korn dann noch einen Zwergschwan an der Schifflach Ost entdecken, den ersten seit über 40 Jahren in der Lahnaue! Er blieb dort leider nur ganz kurz.

Schon kurz danach erschien ebenfalls am Dutenhofener See eine weibliche Eiderente. Sie wurde am 17.12. im Zuge der Wasservogelzählung durch Franziska Schmidt entdeckt, die hier seit 1965 kontinuierlich durchgeführt wird. Es handelt sich hierbei um eine typische Meeresente, die sehr selten in Hessen aufritt und in der Lahnaue schon seit vielen Jahren nicht mehr erblickt wurde. Weitere Nachweise der imposanten Tauchentenart gab es dieses Jahr in Nordhessen.

Zu diesem Zeitpunkt konnte man also im Umkreis von 500 m bereits drei seltene Tauchentenarten während eines Beobachtungsgangs entdecken!

Mit dem Ansteigen der Wasserstände und dem Überfluten der Aue stellten sich immer mehr Gänse in der Aue ein: Zuerst entschieden sich zwei Zwergschwäne, die sich zuvor am Dreifelder Weiher im Hohen Westerwald aufhielten, hier mal vorbeizuschauen. Ein Vergleich der individuellen Schnabelfärbung und -muster ergab eindeutig, dass es die gleichen Individuen waren. Der Entdecker Klaus Spruck konnte gute Fotos für den Vergleich erstellen. Die beiden kleinen hochnordischen Schwäne waren weniger scheu als das Individuum vom 2.12. und so konnten sich zahlreicher Beobachter*Innen mehrere Tage lang an ihnen erfreuen.

Doch damit der Sensationen noch nicht genug! Mit den zahlreichen Blässgänsen (Gästen aus Nordrussland oder Grönland), die sich in ungewohnt großer Zahl in den teilweise überschwemmten Wiesen aufhielten, entdeckten Michael Wimbauer, Jaqueline Bienhaus und Daniel Niederer am 31.12 auch eine Dunkelbäuchige Ringelgans. Diese typische Gänseart, die außerhalb der Brutzeit fast nur an der Nordseeküste auftritt, wurde noch nie zuvor in der Lahnaue beobachtet.

Und schon zwei Tage später wurde von M. Korn beim Durchmustern der Gänse nicht nur die Ringelgans, sondern auch die allererste Rothalsgans für die Lahnaue nachgewiesen. Nachdem sich zuvor zwei vorjährige Tiere bei Reinheim aufhielten, ist dies die dritte Rothalsgans, die in Hessen in diesem Winter beobachtet wurde. Die Art ist äußerst selten in Mitteldeutschland und es dürfte sich um Wildtiere handeln, da alle drei Tiere vorjährig waren.

Spannend wird, ob mit den anhaltenden Überschwemmungen noch weitere bemerkenswerte Wasservogelarten in den nächsten Tagen und Wochen die Lahnaue aufsuchen werden. Dass aber innerhalb von sechs Wochen sechs verschiedene absolute Raritäten hier erscheinen, hat es in den letzten 100 Jahren nicht gegeben. Die Seltenheiten, aber viel mehr noch die hunderten weiteren rastenden Wasservögel, zeigen welche große Bedeutung die Vogelschutzgebiete für unsere Arten haben. Die Vogelschutzgebiete zu erhalten und weiterzuentwickeln, ist daher besonders wichtig.

Matthias Korn & Tobias Erik Reiners

Fotos: 1. Moorente - Colin Jandrasits; 2. Ringschnabelente (links) im Vergleich zur Reiherente (rechts) - Werner Schindler; 3. Eiderente zusammen mit Haubentaucher - Achim Zedler ; 4. Zwergschwan - Bastian Meise; 5. Rothalsgans - Alexander Weber; 6. Ringelgans - Klaus Spruck

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